Montag, 18. Mai 2009

Künstler machen Einsturz zu Thema

es geht los; nach dem Start von Archiv-Fenster am 16. Mai gibt es die ersten persönlichen Archive in der Kölner Südstadt. Weitere Fenster über die Grenzen der Südstadt hinaus haben sich angekündigt. Die ersten Fotos werden uns geschickt. Hier aber zuerst der Artikel im Kölner Stadtanzeiger von Claudia Hauser von heute.


Der Einsturz des Stadtarchivs wird nun auch künstlerisch verarbeitet. Die Gruppe „50678 Kunst Handwerk Design“ will mit einer gemeinsamen Schaufensterausstellung zeigen, dass nicht alles verschüttet ist.



Henrike Müller vor ihrem persönlichen Archiv-Fenster. (Bild: Grönert)
Südstadt - Der Einsturz des Historischen Archivs hat Spuren hinterlassen. Vor allem in der Südstadt wird die Bergung der Archivalien mit Anteilnahme begleitet. Die Gruppe „50678 Kunst Handwerk Design“ verarbeitet das Unglück in einer gemeinsamen Schaufensterausstellung. Acht kreative Orte in der Südstadt gehören zu der Gruppe, die sich 2005 zusammengeschlossen hat. Jedes Mitglied zeigt sein eigenes Archiv. „Nicht alles ist verschüttet“, sagt die Farbdesignerin Henrike Müller. Sie hat alte Skizzen in ihr Schaufenster in der Annostraße gehängt und Mappen mit gesammelten Entwürfen ausgebreitet. „Als Künstler bewahrt man vieles auf“, sagt sie. Weniger aus Eitelkeit, als aus praktischen Gründen. „So manches kann man irgendwann wieder für eine neue Arbeit gebrauchen.“

Nebenan macht die Schriftstellerin Barbara Zoschke lauter enttäuschende Briefe öffentlich. Absagen von Verlegern kleben an Saugnäpfen im Fenster. Doch unter den Briefen stehen all die Bücher, die bereits publiziert wurden - „Gebt die Hoffnung niemals auf“ will sie den Vorbeigehenden wohl sagen. Sie gehört nicht zur Gruppe 50678, fand die Idee aber so gut, dass sie sich immer mehr Saugnäpfe in Henrike Müllers Design-Geschäft abholte.

Ob Wohnzimmer- oder Schaufenster, Privat- oder Geschäftsleute - jeder kann mitmachen bei der Aktion „Archiv-Fenster“. Der Gedanke dahinter ist laut Henrike Müller auch, dass Archive besser genutzt und pfleglich behandelt werden sollten. In der Kölner Graphikwerkstatt dürfen sich Besucher mit weißen Handschuhen alte Skizzenbücher anschauen, Rainer Braun hat eine vergilbte „Heimatkarte“ von Nordost-Oberfranken in sein Schaufenster mit Porzellanschmuck gelegt. „Da wo ich herkomme“ steht daneben.

Auch der Goldschmied Bernd Marx, dessen Geschäft am Severinskirchplatz liegt, hat in alten Kisten gekramt. Und Schwarz-Weiß-Fotos gefunden. Marx war früher Balletttänzer. Über Süßwasserperlen, Trauringen und Uhren hängen nun Bilder, die ihn als durchtrainierten Tänzer und in perfekter Pose vor einem silbernen Vorhang zeigen. „Es gab ein Leben vor dem Schmuck“ steht daneben.